Notvertretungsrecht für Ehegatten und Lebenspartner nur befristet – Vorsorgevollmacht umso wichtiger

In weniger als einem Jahr tritt eine umfassende Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft. Vollkommen neu eingeführt wird ein gesetzliches Notvertretungsrecht für Ehegatten und Lebenspartner – allerdings nur in Gesundheitsangelegenheiten und nur für eine begrenzte Zeit. Eine Vorsorgevollmacht wird dadurch nicht entbehrlich, sondern in manchen Fällen sogar umso wichtiger.

Die für 2023 geplante Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts bringt viele Änderungen im Kindschafts-, Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht mit sich. Vollkommen neu ist das sogenannte „Notvertretungsrecht“ für Ehegatten und Lebenspartner: Erleidet beispielsweise ein Ehegatte einen Unfall oder wird er plötzlich schwer krank, wie bei einem Herzinfarkt, und kann infolgedessen nicht mehr selbst entscheiden, kann ihn der andere Ehegatte künftig in Gesundheitsangelegenheiten vertreten. Dieser willigt dann beispielsweise für ihn in ärztliche Behandlungen und Untersuchungen ein, schließt Behandlungsverträge ab und entscheidet über freiheitsentziehende Maßnahmen von kurzer Dauer.

„Wer nicht möchte, dass sein Ehegatte im Vorsorgefall für ihn Entscheidungen in Gesundheitsangelegenheiten trifft, sollte ab dem 1. Januar 2023 einen Widerspruch gegen das gesetzliche Notvertretungsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister eintragen lassen“, rät Julia Lindner, Notarassessorin an der Landesnotarkammer Bayern. Für Ärzte wird zwar zukünftig ein entsprechendes Einsichtsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister geschaffen werden. Es empfiehlt sich jedoch, den behandelnden Arzt zusätzlich persönlich über diesen Widerspruch in Kenntnis zu setzen.

Braucht es daneben überhaupt noch eine Vorsorgevollmacht?

Wer darüber hinaus sichergestellt wissen möchte, dass eine von ihm selbst bestimmte Vertrauensperson ihn im Vorsorgefall vertreten kann, und vermeiden will, dass ein gerichtlich bestellter Betreuer für ihn handelt, benötigt weiterhin unbedingt eine umfassende und individuelle Vorsorgevollmacht. „Und zwar neben dem neu geschaffenen gesetzlichen Ehegattenvertretungsrecht“, erläutert Lindner. „Denn dieses bezieht sich ausschließlich auf den Bereich der Gesundheitsangelegenheiten und ermöglicht es dem Ehegatten beispielsweise nicht, Behördengänge, Versicherungsangelegenheiten oder Bankgeschäfte zu besorgen.“ Zudem besteht das Notvertretungsrecht des Ehegatten für maximal sechs Monate. Für nicht erfasste Geschäfte und generell nach Ablauf der sechs Monate muss ohne Vorsorgevollmacht im Betreuungsfall zwingend ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden.

Form der Vorsorgevollmacht für Wirksamkeit zukünftig entscheidend

Eine weitere Änderung der Gesetzesreform betrifft die Frage zur Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht. „Wird eine Vorsorgevollmacht bei einer Betreuungsbehörde beglaubigt, ist sie mit dem Tod des Vollmachtgebers wirkungslos“, mahnt Lindner und erläutert: „Diese Regelung wird aller Wahrscheinlichkeit nach bereits zu Lebzeiten des Vollmachtgebers zu praktischen Schwierigkeiten führen.“ So muss künftig der Bevollmächtigte z.B. im Rahmen eines notariellen Hausverkaufs dem Grundbuchamt mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden nachweisen, dass der Vollmachtgeber noch lebt. Dies könnte unüberwindbare Schwierigkeiten bedeuten.

Bei einer notariell beurkundeten, über den Tod hinaus wirksamen Vorsorgevollmacht stellen sich diese Fragen hingegen nicht – ein weiterer Grund, sich nach umfassender Belehrung und Beratung durch eine Notarin bzw. einen Notar für eine rechtssichere notarielle Vorsorgevollmacht zu entscheiden.

Quelle: Bayerischer Notarvereins e. V